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2021

09

2021-09-01T12:00:00

Clientmanagement und Support

SCHWERPUNKT

084

Support

Helpdesk

Freie Helpdesksysteme im Vergleich

Den richtigen Helfer finden

von Martin Loschwitz

Veröffentlicht in Ausgabe 09/2021 - SCHWERPUNKT

Das Open-Source-Umfeld bietet ein breites Spektrum an Helpdesksystemen. Doch nicht jedes eignet sich für alle Einsatzzwecke, gerade für KMU, die oft nur reine Ticketing-Funktionen benötigen. Solche Werkzeuge betrachtet dieser Marktüberblick ebenso wie Tools mit umfangreichen ITSM-Features. Denn der genaue Blick auf die verschiedenen Anwendungen vor der Einführung reduziert die spätere Komplexität und den Aufwand der Verwaltung.

Von wegen Service-Wüste Deutschland: Auch hiesige Firmen haben längst erkannt, dass guter Kundenservice deckungsgleich mit Kundenbindung ist, und die ist bekanntlich enorm hilfreich für das Geschäft. Kein Wunder also, dass große Konzerne längst nicht mehr nur in Marketing investieren, sondern auch in komplexe, zertifizierte Helpdesksysteme.
Jede Firma, ob Startup oder Großkonzern, braucht Mittel und Wege, um eingehende Anfragen von Kunden sinnvoll zu kanalisieren, zu kategorisieren und abzuarbeiten. In Startups ist der dafür installierte Prozess noch recht manuell: Weil die Menschen in der Firma die meisten Kunden ohnehin persönlich kennen – und vice versa –, ist eine E- Mail an die persönliche Adresse eines Mitarbeiters oft ausreichend. Mit wachsender Firmengröße geht das allerdings nicht mehr. Denn Konversationen, die in den persönlichen Mailboxen ehemaliger Angestellter schlummern, und nicht nachvollziehbare Kundenhistorien sind ein riesiges Problem.
Richtige Auswahl schwierig
Im Open-Source-Umfeld hat sich eine Vielzahl von Projekten und Produkten etabliert, die in die Kategorie Helpdesksoftware fallen. Zwar sprechen viele Admins heute noch immer etwas salopp von Ticketsystemen, doch ist die Fähigkeit, Tickets anzulegen und zu verwalten, längst nicht mehr die einzige Funktion, die Firmen heute von Helpdesksoftware erwarten. Die Krux an der Sache: So umfangreich das Angebot an Open-Source-basierten Helpdesks ist, so stark unterscheiden diese sich im Hinblick auf ihre Funktionen. Wer sich mit der Materie nicht ausführlich beschäftigt, läuft deshalb Gefahr, auf das falsche Pferd zu setzen. Bestenfalls steht der IT-Verantwortliche dann mit einer Lösung da, die zwar alle nötigen Features beherrscht, aber ein riesiger Moloch mit hohem Wartungsaufwand ist. Im schlechtesten Fall muss die Firma zu einem anderen System migrieren, weil der ursprüngliche Wunschkandidat doch nicht alle nötigen Features beherrscht.
Von wegen Service-Wüste Deutschland: Auch hiesige Firmen haben längst erkannt, dass guter Kundenservice deckungsgleich mit Kundenbindung ist, und die ist bekanntlich enorm hilfreich für das Geschäft. Kein Wunder also, dass große Konzerne längst nicht mehr nur in Marketing investieren, sondern auch in komplexe, zertifizierte Helpdesksysteme.
Jede Firma, ob Startup oder Großkonzern, braucht Mittel und Wege, um eingehende Anfragen von Kunden sinnvoll zu kanalisieren, zu kategorisieren und abzuarbeiten. In Startups ist der dafür installierte Prozess noch recht manuell: Weil die Menschen in der Firma die meisten Kunden ohnehin persönlich kennen – und vice versa –, ist eine E- Mail an die persönliche Adresse eines Mitarbeiters oft ausreichend. Mit wachsender Firmengröße geht das allerdings nicht mehr. Denn Konversationen, die in den persönlichen Mailboxen ehemaliger Angestellter schlummern, und nicht nachvollziehbare Kundenhistorien sind ein riesiges Problem.
Richtige Auswahl schwierig
Im Open-Source-Umfeld hat sich eine Vielzahl von Projekten und Produkten etabliert, die in die Kategorie Helpdesksoftware fallen. Zwar sprechen viele Admins heute noch immer etwas salopp von Ticketsystemen, doch ist die Fähigkeit, Tickets anzulegen und zu verwalten, längst nicht mehr die einzige Funktion, die Firmen heute von Helpdesksoftware erwarten. Die Krux an der Sache: So umfangreich das Angebot an Open-Source-basierten Helpdesks ist, so stark unterscheiden diese sich im Hinblick auf ihre Funktionen. Wer sich mit der Materie nicht ausführlich beschäftigt, läuft deshalb Gefahr, auf das falsche Pferd zu setzen. Bestenfalls steht der IT-Verantwortliche dann mit einer Lösung da, die zwar alle nötigen Features beherrscht, aber ein riesiger Moloch mit hohem Wartungsaufwand ist. Im schlechtesten Fall muss die Firma zu einem anderen System migrieren, weil der ursprüngliche Wunschkandidat doch nicht alle nötigen Features beherrscht.
Dieser Artikel stellt einige Helpdesk-Lösungen auf Open-Source-Basis in direkte Konkurrenz zueinander und geht auf Stärken und Schwächen ein. Daneben findet sich am Ende jeder Vorstellung auch eine Einschätzung, für welchen Einsatzzweck sich das Produkt ideal eignet.
Urgestein OTRS
Eine Vorstellung von Helpdesksystemen auf Open-Source-Basis wäre nicht denkbar, ohne OTRS [1] zu erwähnen. Mancher Beobachter der FL/OSS-Szene wird hier allerdings bereits genervt die Nase rümpfen – und das zurecht. Denn OTRS ist in seiner aktuellen Version 8 gar nicht mehr unter einer freien Lizenz verfügbar. Im Hause OTRS haben sich leider jene Kräfte durchgesetzt, die seit Jahren auf den Wechsel von der AGPL hin zu einer proprietären Lizenz hingearbeitet haben. Was praktisch heißt: Greift der Anwender heute noch zu OTRS und will freie Software haben, ist er auf die "Comunity"-Edition festgenagelt. Das ist eine um einige Features erleichterte Abwandlung von OTRS 6, was freilich auch heißt: Das Werkzeug hat bereits einige Lenze auf dem Rücken. Objektiv betrachtet ist OTRS 6 nicht mehr zeitgemäß.
Was den OTRS-Entwicklern übrigens durchaus klar ist. IT-Administrator hat OTRS 8, die Nachfolgeversion und in weiten Teilen ein Rewrite samt neuer grafischer Schnittstelle, bereits ausführlich vorgestellt [2]. Von dessen Annehmlichkeiten können FL/OSS-Fans in Sachen OTRS allerdings nur träumen. Wer OTRS 8 will, muss zwangsläufig die proprietäre Lizenz nutzen, die es beim Hersteller nur gegen Bares gibt.
Das Fazit zu OTRS fällt zumindest für diesen Artikel deshalb einigermaßen verheerend aus: Finger weg. Auch weil der Hersteller seine Community-Version zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Artikels seit acht Monaten nicht mehr mit Updates versehen hat. Ende 2020 war OTRS 6 obendrein als "End of Life" tituliert. Einen veralteten Moloch in der Dimension von OTRS, der nicht zuverlässig mit Updates versorgt wird, braucht allerdings kein Mensch. Für bestehende Setups gibt es Znuny [3], das die Codebase geforkt hat und sie mit wichtigen Updates versorgt. Aber dieses Angebot richtet sich vorrangig an Unternehmen, die bereits OTRS 6 im Einsatz haben und keinen einfachen Weg für eine Migration zu einem anderen Werkzeug besitzen. De facto ist OTRS aus der Open-Source-Schiene also raus. Dass es richtig war, OTRS in dieser Übersicht trotzdem kurz zu erwähnen, zeigt der nächste Kandidat im Test – Kix.
Kix als Resultat der OTRS-Politik
OTRS 8 und seine kommerzielle Lizenz sind nicht einfach mal eben vom Himmel gefallen. Innerhalb der Community rund um OTRS hat es stattdessen bereits seit Jahren gebrodelt und immer wieder Streit gegeben. Denn die OTRS AG, die seit 2009 auch an der Börse notiert ist und für die kommerzielle Entwicklung von OTRS sorgt, hatte im Laufe der Jahre immer aggressivere Mittel angewandt, um Kunden von der freien Community-Edition in Richtung kommerzielle Lizenzen zu bugsieren. Sukzessive beschnitt der Anbieter die Community-Version um Features, die viele OTRS-Anwender ohne kommerzielle Lizenz brauchten.
Das brachte auch langjährige OTRS-Partner in die Bredouille. Dazu zählt etwa Cape-IT, das über viele Jahre hinweg das Erweiterungspaket "KIX4OTRS" pflegte. Ende 2015 platzte den Chemnitzern schließlich der Kragen. Sie verkündeten in Form von "Kix" [4] eine eigene Service-Desk-Software auf den Markt zu bringen. Anfangs war Kix tatsächlich ein Fork von OTRS 5, doch in den vergangenen vier Jahren hat Kix sich gewandelt. Im Quelltext von Frontend und Backend finden sich heute nur noch wenige Gemeinsamkeiten.
Stattdessen präsentiert sich Kix heute als moderner Service-Helpdesk auf der Höhe der Zeit. Aus drei Editionen haben Sie die Wahl: "Kix Start" ist die ausschließlich aus FL/OSS-Software bestehende Variante, die basale Helpdeskfunktionen bietet. Das umfasst klassisches Management von IT-Assets über eine eigene Asset-Datenbank, die Überwachung von IT-Diensten sowie die zentrale Dokumentation von IT-Tätigkeiten.
Nicht-IT-Dienste sind mit Kix aber freilich ebenso gut nutzbar; hier stehen dann Felder zur Verfügung, die sich mit generischen Namen versehen lassen. Basis-Features wie automatische Antworten, ein rollenbasiertes Nutzungssystem oder frei definierbare Templates für Antworten durch Agenten gehören natürlich zum Lieferumfang. Kix Start hat sich in einem Test durch die Redaktion zudem als erfreulich leicht zu installieren herausgestellt. Ein Quickstart-Guide [5] erklärt künftigen Kix-Anwendern, wie sie die zentralen Aspekte ihrer Installation an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Obwohl Kix auf einer eher trägen OTRS-Version basiert, haben seine Entwickler also ein flottes, leicht zu nutzendes Produkt mit sehr niedriger Einstiegshürde geschaffen.
Wer es etwas umfangreicher braucht, muss zu "Kix Pro" greifen. Das ist eine aufgebohrte Kix-Variante mit Support unter proprietärer Lizenz, die eine Reihe zusätzlicher Funktionen liefert. In Kix Pro lassen sich etwa auch Prozesse für das Onboarding und Offboarding von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern definieren, Urlaubsanträge steuern oder mit externen Firmen über definierte Schnittstellen kommunizieren. Praktisch ist Kix damit schon eher ein Service-Broker für verschiedene Systeme. Obendrein lässt Kix Pro sich mit externen Modulen um weitere Funktionen aufstocken, etwa Support für die Wahl von Telefonnummern über spezifische Telefonanlagen mittels Click-to-Call. Wer diese Features braucht, weiß allerdings ohnehin, was er will – für KMU und ähnliche Institutionen dürfte das allerdings zu viel des Guten sein.
Kix lässt sich als dritte Option in der Pro-Edition auch als Clouddienst nutzen, gehostet von Cape-IT. Wer sein Helpdesksystem also nicht on-premises warten möchte, mietet sich stattdessen beim Hersteller ein. Für Kix Start steht diese Möglichkeit nicht zur Verfügung. Als Ausgangspunkt in die Welt der Helpdesksysteme ist das Tool aber einen Blick wert.
Bild 1: Kix besticht mit einem großen Funktionsumfang und gilt als erster kommerziell erfolgreicher OTRS-Fork.
OTRS-Abkömmling OFORK
Weiter geht es mit den OTRS-Abkömmlingen, denn das "O" im Namen des nächsten Probanden OFORK [6] steht für OTRS. Auch die Mannheimer Firma einraumwerk hatte die Sperenzchen der OTRS AG Ende 2018 dicke, schuf einen Fork der damals schon nicht mehr ganz aktuellen OTRS-Version 6 und entwickelt diesen seither kontinuierlich weiter. So etwas wie das Prunkstück des Produkts ist die vollständig überarbeitete GUI, die moderner und frischer als die von OTRS 6 wirkt. Auch unter der Haube haben die OFORK-Entwickler viel Arbeit geleistet. Komplett überarbeitet wurde etwa das Management von Prozessen nach ITIL, das sich auch in OTRS 6 schon abbilden ließ. OFORK bietet hier allerdings viel mehr Möglichkeiten und eine intuitive grafische Oberfläche, die Prozesse bei Bedarf auch visualisiert.
Weil OFORK ein OTRS unter der Haube hat, teilt es sich mit diesem zumindest in mancherlei Hinsicht seine Stärken und Schwächen. Die Basics sind alle an Bord: Eine Rollenverwaltung für Benutzer und Gruppen ist ebenso definierbar wie Eskalationsstrategien durch die diversen Ebenen der Hierarchie. Zudem gibt es einen Formulargenerator, mit dem sich beliebige Formulare so anlegen lassen, dass anschließend automatisiert Tickets aus den Eingaben werden. Ein Formular "Hardwareschaden" könnte etwa je nach ausgewählter Geräteart ("Stand-PC", "Laptop") dafür sorgen, dass ein Ticket für den Austausch bei der zuständigen Abteilung landet.
Eine Datenbank für Geräte (CMDB) erleichtert obendrein die Arbeit von Supportagenten, sofern sie denn richtig gepflegt wird. Eine Wiki-artige Komponente gehört bei fast allen Helpdesksystemen mittlerweile zum guten Ton und auch OFORK hat eine. Das Programm lässt sich zudem über generische Schnittstellen an andere Systeme ankoppeln, etwa Monitoring- oder Trendingsysteme. Ab Werk gibt es in der Hinsicht allerdings nicht viel Code und Interessenten müssen sich etwaige Module für OFORK selber bauen oder den Hersteller kostenpflichtig damit beauftragen.
OFORK hinterlässt einen soliden und guten Eindruck. Es hat den Muff unter den Talaren der OTRS-Zeit erfolgreich beseitigt, ist aber immer noch recht komplex. Wer nur einen simplen Anfragen-Tracker braucht, findet hier vermutlich zu viel Funktionalität gekoppelt mit zu viel Komplexität. Für alle anderen ist der OTRS-Abkömmling aber zweifelsohne eine valide Option. Wer den Aufwand des eigenen Betriebs scheut, bekommt mittlerweile auch eine vom Anbieter gehostete Cloudvariante von OFORK zu durchaus KMU-kompatiblen Konditionen.
Bild 2: OTOBO ist seine Verwandtschaft mit OTRS kaum noch anzusehen, das Frontend für Support-Suchende ist komplett neu gestaltet.
Kaum weniger komplex als OTRS: OTOBO
Die OTRS AG hat es sich mit ihrer Produktpolitik offensichtlich mit diversen ehemaligen Fans grundlegend verscherzt. Anders ist die schiere Flut an OTRS-6-Forks kaum zu interpretieren, die seit 2018 aus dem Boden schießen. Denn auch OTOBO [7] ging am Anfang als OTRS-6-Fork ins Rennen. Hier verhält die Situation sich aber sehr ähnlich zu jener von OFORK: Je weiter der Split zurückliegt, desto größer werden die Unterschiede zwischen OTOBO und seinem Urahn. Wie üblich sind auch die OTOBO-Macher in OTRS 6 zunächst dessen Weboberfläche zu Leibe gerückt, das neue Dashboard ist das Prunkstück der Lösung. Das hebt der Anbieter vor allem im Hinblick auf das Kundenportal heraus.
Zur Wahrheit gehört auch, dass das Kundenportal von OTRS 6 de facto als schlimmer Unfall gelten muss. Wer keinen technischen Background hat, wird mit der unübersichtlichen Oberfläche kaum zurechtkommen. Was es naturgemäß schwierig macht, OTRS 6 außerhalb des IT-Bereichs überhaupt sinnvoll einzusetzen, denn nicht alle Kunden in allen Branchen sind schließlich IT-affin. OTOBO hat das alte Kundenportal deshalb weggeworfen und durch ein neues ersetzt. Das ist nicht nur auf mobilen Geräten nutzbar, sondern auch ein Musterbeispiel dafür, wie sich Supporttickets übersichtlich darstellen lassen. Und das sogar so, dass auch Nicht-Techies den Überblick behalten. Und auch die andere Seite der Medaille haben die OTOBO-Entwickler überarbeitet: Agenten sehen schnell, welche Tickets ihnen gerade zugewiesen sind, und führen Änderungen mit wenigen Mausklicks durch. Seine OTRS-Verwandtschaft kann das OTOBO-Backend anders als das Frontend insgesamt allerdings nicht verbergen. Intuitiv ist das OTOBO-Backend mithin ebenso wenig wie jenes von OTRS 6.
Darüber hinaus unterscheidet OTOBO sich in vielerlei Hinsicht höchstens in der Art der technischen Umsetzung von den anderen OTRS-6-Forks, nicht aber im Hinblick auf die angebotene Funktionalität. Eine CMDB gehört hier ebenso zum Lieferumfang wie ein eingebautes System für Wissensmanagement. Und alle in OTRS 6 vorhandenen Funktionen sind natürlich ebenfalls verfügbar. Es gilt also auch für OTOBO wieder: Gut gemacht, komfortabel und zuverlässig, aber auch enorm umfangreich und komplex in der Handhabung. Wie Kix und OFORK steht OTOBO mittlerweile als vom Anbieter gehostete Anwendung in der Cloud bereit, was die Setup-Schmerzen reduziert. "Mal eben ein Helpdesksystem" ist aber auch OTOBO eher nicht.
Bild 3: Zammad hat eine von GUI-Profis entworfene Oberfläche sowohl für Agenten als auch für Nutzer.
OTRS-Erfinder liefert Zammad
Dass es in der OTRS-Community nicht erst seit der Schnapsidee von 2018 einigen Unmut über die OTRS AG gab, beweist Zammad [8]. Dieses Werkzeug ist als Erstes in unserer Betrachtung kein OTRS-Fork und doch hat es eine direkte Verbindung zu OTRS: Der Zammad-Erfinder Martin Edenhofer hob nämlich einst auch OTRS aus der Taufe. Bereits 2011 trennten sich die Wege von Edenhofer und OTRS, das Helpdeskthema blieb Edenhofer allerdings erhalten. Ende 2016 machte er dann Furore, als er Zammad (bayrischer Dialekt für "zusammen") ankündigte und explizit als OTRS-Gegenentwurf in die Welt setzte. Zammad besteht zu 100 Prozent aus freier Software und die Verwaltung des Projekts unterliegt einer eigens für diesen Zweck gegründeten Stiftung.
Anders als OTRS ließ Zammad in Sachen UI-Design nichts anbrennen und beauftragte von Anfang an Designer damit, eine Maske für die Benutzer und eine für die Agenten zu entwerfen. Dass hier Profis am Werk waren, zeigt sich darin, dass Front- wie Backend übersichtlich und aufgeräumt sind. Die Grundfunktionen entsprechen dem Standard der Industrie: Ein Ticketsystem mit definierbaren Workflows, SLAs und Rollen für Agenten und Gruppen gehören zum Lieferumfang. Ein Wissensmanagement und ein Incident-Tracker liegen dem Produkt ebenso bei wie ein einfaches Assetma-nagement. Aus der Menge der Probanden heraus sticht zudem die Art und Weise, wie der Admin zu einer laufenden Zammad-Instanz kommt, denn die Entwickler bieten ihr Produkt in Form eines Docker-Containers an, für den die Quellen freilich ebenfalls zur Verfügung stehen. Wenige Befehle auf der Kommandozeile reichen also aus, um Zammad an den Start zu kriegen.
Besonders rühmen sich die Entwickler zudem der Integration in diverse externe Produkte. Die Liste ist in der Tat beeindruckend: SIP-Dienste wie Sipgate lassen sich ebenso anbinden wie CTI-Dienste von Telefonanlagen. Für die Einbindung von externen Monitoringsystemen stehen fertige Adapter für Nagios, Icinga, Monit oder Checkmk zur Verfügung; moderne Trending-Systeme wie Prometheus fehlen in der Liste hingegen.
In Sachen Social Media trumpft Zammad auf: Anfragen aus diversen Chat-Anwendungen wie Slack oder Teams sind ebenso nutzbar wie Facebook, Twitter und andere. Supportanfragen via Social Media machen bei vielen Unternehmen heute einen großen Teil des Supportaufkommens aus und Zammad gehört aktuell zweifelsohne zu den Lösungen mit dem größten Funktionsumfang in diese Richtung. Auf der OTRS-Schiene bietet nur OTRS 8 eine ähnlich gute Unterstützung – hier macht die freie, kostenlose Lösung Zammad also selbst dem mächtigen OTRS heftige Konkurrenz.
Fast schon als Affront dürfte es OTRS sehen, dass Zammad einen Migrationsassistenten für OTRS & Co. bereitstellt. Selbst aus Zendesk heraus extrahiert der Wizard die Daten und spielt sie in eine lokale Zammad-Instanz ein. Das Feature richtet sich also eher an Anwender, die aus einer bestehenden Umgebung heraus migrieren wollen, und mithin sicher auch an verprellte OTRS-6-Nutzer, die dringend eine Exit-Strategie suchen.
In Summe ist Zammad potent und steht OTRS in vielerlei Hinsicht bei der Flexibilität in nichts nach. Zudem lässt es sich dank intuitiver GUI auch als einfaches Helpdesksystem verwenden. Zammad gehört mithin bei allen, die Helpdesksoftware evaluieren, auf den Zettel der Möglichkeiten. Und zwar wahlweise lokal oder durch den Anbieter in der Cloud gehostet.
Einfache Ticketsysteme mit Request Tracker
In einem Vergleich von Open-Source-Helpdesksystemen darf Request Tracker [9] keinesfalls fehlen. Das Programm ist gewissermaßen die Antithese zu den riesigen Lösungen, die auch in diesem Artikel bis hierhin vorrangig zur Sprache gekommen sind. Wobei auch Request Tracker gar nicht mehr so schlank ist, wie es einmal war. Denn neben den banalen Features wie SLA-Eskalationen, Rollen und Gruppen gehört auch zu Request Tracker mittlerweile eine Asset-Datenbank und ein Werkzeug für Knowledge-Management. Im Kern ist das Tool aber bei seinem "Keep it simple, stupid!"-Ansatz geblieben. Wer lediglich ein Ticketsystem benötigt, ist hier gut aufgehoben.
Zumal die Entwickler in der 2020 erschienenen Version 5 von Request Tracker endlich einige Kritikpunkte beseitigt haben, die Nutzer seit Jahren immer wieder angebracht hatten. Das Webinterface von Request Tracker 4 etwa wirkte völlig aus der Zeit gefallen. In Version 5 wich es einem neuen UI auf Basis des Bootstrap-Frameworks. Für Request-Tracker-Verhältnisse ist das allerdings eine revolutionäre Änderung, denn das Werkzeug hat sehr lange Release-Zyklen.
Auch ansonsten präsentiert sich Request Tracker nicht sonderlich modern. Über sogenannte Extensions lässt sich zwar die Verbindung hin zu anderen Diensten einrichten – ein GitHub-Plug-in sorgt etwa dafür, dass bei Änderungen in GitHub-Repositories Tickets automatisch anpassbar sind. Doch bei anderen Themen präsentiert Request Tracker sich als Total- ausfall, etwa in Sachen Social Media. Twitter, Facebook & Co. sind für das Programm Fremdworte. Wer am Anfang seiner Evaluation schon weiß, dass er Supportanfragen über Social-Media-Kanäle empfangen wird, sollte von Request Tracker lieber die Finger lassen.
Überhaupt kommt Request Tracker klar aus der Technik-Ecke, es fühlt sich in dieser wohl und spielt in ihr sein Potenzial vollständig aus. Trotz neuer UI ist es weit von Klickibunti entfernt. Als Helpdesksystem für beliebige Anwendungen ist es insofern eher nicht geeignet. Wer aber ein Ticketsystem für technische Umgebungen sucht, das wenig bis kein Lametta im Gepäck hat, ist hier gut aufgehoben.
Link-Codes
[10] osTicket: https://osticket.com/
Einfach, aber solide: osTicket
Vergleichsweise jung im Zirkus der Helpdesksysteme ist osTicket [10]. Das Tool ähnelt in Funktion und Ansatz eher Request Tracker denn den diversen, auf OTRS basierten Großprojekten. Die Grundfunktionen gehören selbstverständlich zum ab Werk gebotenen Lieferumfang: Verschiedene Queues, Nutzer und Agenten mit unterschiedlichen Rollen und die Bearbeitung von Tickets mittels einer Webschnittstelle oder per E-Mail. Die Templates für Tickets lassen sich in osTicket beliebig bearbeiten; Felder mit eigenen Werten unterstützt die Lösung ebenfalls. Bemerkenswert ist, dass osTicket auch eigene Spalten des Admins unterstützt, sodass sich etwa Ticketlisten nach bestimmten Parametern sortieren lassen. Das schafft Übersicht und nützt den Agenten im Support unmittelbar.
 Service Level Agreements lassen sich in osTicket definieren: Geht ein Ticket ein, arbeitet osTicket es anhand eines definierten Regelwerks ab. Der Admin hat größtmögliche Freiheit dabei, dieses Regelwerk zu bearbeiten und zu konfigurieren. Auch die "Help Topics" kommen hier zur Geltung: Anhand einzelner Begriffe in E-Mails lässt sich in osTicket etwa festlegen, dass ein Ticket direkt in der Inbox eines bestimmten Teams landen soll. So könnte osTicket bei Netzwerkproblemen eingehende E-Mails, in deren Betreff oder Body "BGP" vorkommt, gleich an die für Transmission zuständige Abteilung weitergeben. Das strafft den Supportprozess, weil die Fragen schneller bei den richtigen Helfenden landen. Auf eine umfassende Social-Media-Integration muss der Admin bei osTicket allerdings verzichten.
Die Agenten-GUI von osTicket überzeugt, weil sie übersichtlich ist und etwa auch eine nach Thread sortierte Liste der Mails in einem Ticket anzeigen kann. Für Endanwender sieht die Software allerdings nochmal eine ganz eigene GUI vor, die übersichtlich daherkommt und auch für Nicht-Techniker zu bedienen ist. Insgesamt präsentiert sich osTicket damit als solider Vertreter seiner Zunft.
Solide sind auch seine Deployment-Varianten: Weil das Werkzeug unter freier Lizenz steht, lässt es sich durch jedermann von GitHub beziehen und ohne Einschränkung nutzen. Zusammen mit einem Webhoster bietet osTicket aber auch eine gehostete Variante an oder stellt auf Wunsch eine virtuelle, an die Wünsche des Kunden angepasste Appliance zur Verfügung. Wer sich für die eigene Variante entscheidet, muss aber auch nicht mehr tun als für ein übliches LAMP-Setup.
Fazit
Dass OTRS den Markt der freien Helpdesksysteme vor zwei Jahrzehnten komplett neu aufgerollt hat, zeigt sich daran, dass das Produkt noch immer omnipräsent ist. Wenn auch nicht als eigene Lösung: In Kix, OFORK und OTOBO lebt OTRS 6 weiter, auch wenn phasenweise kaum noch etwas davon zu erkennen ist. Viele Anbieter versuchen mit ihrer eigenen Interpretation des Service-Desk-Prinzips auf OTRS-6-Basis die Kundschaft zu begeistern. Sie alle vereint ein großer Funktionsumfang, der gerade für KMU oft schon zu viel des Guten darstellt.
Zammad hat sich getraut, die alte Code-Basis komplett wegzuwerfen und neu anzufangen, was dem Produkt letztlich hilft – obwohl auch hier schon wieder viel Funktionalität vorhanden ist, die für etliche KMU nicht nötig ist. Das Produkt balanciert zwischen Features und einfacher Bedienung aber hinreichend geschickt, um für alle Kundengrößen attraktiv zu sein. RequestTracker und osTicket sind die nüchternen Gegenentwürfe zu OTRS und den daraus abgeleiteten Werkzeugen: Hier ist die Schaffung eines Helpdesks vom alten Schlage das Ziel, also eine funktionale Software ohne Schnörkel, die zuverlässig ihre Arbeit verrichtet. Wer schnell und ad hoc ein einfaches Ticketsystem benötigt, ist hier noch am ehesten gut aufgehoben.
Doch auch im Hinblick auf die Helpdesksysteme gilt: Wer Open-Source-Software will, muss längst nicht mehr selber basteln. Wie bei praktisch allen Programarten wandern auch Helpdesksysteme zunehmend in die Cloud und Themen wie die Einfachheit der Installation spielen kaum mehr eine Rolle. Produkte wie Zammad oder OTOBO sind dann ungleich attraktiver, weil sie sich in wenigen Sekunden starten lassen, ohne dass viel Verwaltungsaufwand entsteht. Der Markt der freien Helpdesksysteme zeigt sich aktuell jedenfalls vielseitig wie nie – sehr zum Nutzen der IT-Verantwortlichen.
 (jp)