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2023
05
2023-04-28T12:00:00
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Interview
Netzwerk
Ethernet
Interview
»Das Ethernet wird sich weiterhin in neue Lebensbereiche ausbreiten«
Redaktion IT-Administrator
Veröffentlicht in Ausgabe 05/2023 - AKTUELL
Der Ethernet-Standard feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag – in der Welt der Informationstechnologie eine absolute Ewigkeit. Und doch hat das Ethernet noch lange nicht ausgedient und entwickelt sich laufend weiter. Unser Autor und IT-Veteran Mathias Hein wirft einen Blick auf seine beruflichen Anfänge im Netzwerkumfeld und wagt einen Ausblick auf die Zukunft des Ethernets.

IT-Administrator: Mathias, seit wann begleitet dich das Ethernet und wie sahen deine ersten Schritte im Netzwerkbereich aus?
Mathias Hein: Im Jahr 1985 unterschrieb ich einen Arbeitsvertrag als "LAN-Produktspezialist" bei einem Unternehmen in München. Wie ich immer sage, damals konnte ich nur die drei Buchstaben LAN fehlerfrei buchstabieren, aber von Netzwerken hatte ich noch wenig Ahnung. Damals galt eine Kommunikation mit Geschwindigkeiten von 9,6 KBit/s als High Speed. Mein Unternehmen schickte mich auf ein Seminar zu Bridge Communications, später 3Com, nach Mountain View und ich lernte die Grundzüge des Ethernets mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 10 MBit/s auf Basis von Yellow Cable. Meine ersten Lehrer waren Judith Estrin – später CTO und Senior Vice President von Cisco Systems und im Aufsichtsrat von Sun Microsystems und Disney – und jemand namens Robert Metcalfe. Erst später erfuhr ich, dass es sich dabei um den Erfinder des Ethernets gehandelt hat. Das Ethernet wurde seinerzeit auch als Carrier Sense Multiple Access with Collision Detection, kurz CSMA/CD bezeichnet, was auf die Nähe zu seinem Vorgänger, dem Aloha- Netz, hinwies.
Welche technologischen Entwicklungen waren für dich dabei die bemerkenswertesten?
IT-Administrator: Mathias, seit wann begleitet dich das Ethernet und wie sahen deine ersten Schritte im Netzwerkbereich aus?
Mathias Hein: Im Jahr 1985 unterschrieb ich einen Arbeitsvertrag als "LAN-Produktspezialist" bei einem Unternehmen in München. Wie ich immer sage, damals konnte ich nur die drei Buchstaben LAN fehlerfrei buchstabieren, aber von Netzwerken hatte ich noch wenig Ahnung. Damals galt eine Kommunikation mit Geschwindigkeiten von 9,6 KBit/s als High Speed. Mein Unternehmen schickte mich auf ein Seminar zu Bridge Communications, später 3Com, nach Mountain View und ich lernte die Grundzüge des Ethernets mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 10 MBit/s auf Basis von Yellow Cable. Meine ersten Lehrer waren Judith Estrin – später CTO und Senior Vice President von Cisco Systems und im Aufsichtsrat von Sun Microsystems und Disney – und jemand namens Robert Metcalfe. Erst später erfuhr ich, dass es sich dabei um den Erfinder des Ethernets gehandelt hat. Das Ethernet wurde seinerzeit auch als Carrier Sense Multiple Access with Collision Detection, kurz CSMA/CD bezeichnet, was auf die Nähe zu seinem Vorgänger, dem Aloha- Netz, hinwies.
Welche technologischen Entwicklungen waren für dich dabei die bemerkenswertesten?
Die folgenden drei Technologien sorgen bei mir immer noch für Erstaunen: Glasfaser, Twisted Pair und das Switching. Die Glasfasertechnik hatte ich bereits 1987 in einem Firmenbackbone kennengelernt. Die klassische Varianten des Ethernets für Koaxialkabel 10Base5 und 10Base2 beschränkte die Netzsegmente auf 500 beziehungsweise 200 Meter. Mit der Übermittlung von Ethernet-Signalen konnten quasi über Nacht Netze mit Ausdehnungen von mehreren Kilometern realisiert werden. Auch die Adaption des Ethernets auf verdrillten Adernpaaren und RJ45-Steckern schuf die Grundlagen für sternförmige (und damit standardisierte) Verkabelungen in den Unternehmen. In Kombination mit Switches wurden die Kollisionen eliminiert und es entstanden quasi virtuelle Direktverbindungen zwischen den Netzteilnehmern. Auf einmal ging es ganz schnell: Auf den Twisted-Pair-Standard 1991 folgte 1995 Ethernet über Glasfaser 10BaseF. Heute sind 10, 25, 40, 100 und 800 GBit/s bei der Ethernet-Übertragung möglich und Geschwindigkeiten im Terrabit-Bereich sind in greifbarer Nähe und die 50-jährige Ethernet-Geschichte zeigt, dass dies nicht unrealistisch ist.
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Welche Konkurrenzstandards zu Ethernet gab es damals und warum haben sich diese, wie etwa Token Ring, nicht durchgesetzt?
Das Ethernet stand in den ersten zwei Jahrzehnten seines Bestehens immer in Konkurrenz mit dem Token Ring, dem Token Bus und dem Arcnet. Der Medienzugang bei dieser Technik wurde mit Hilfe eines Tokens gesteuert, das eine Station zur nächsten weiterreichte. Da bei diesem System nur der Besitzer des Tokens schreiben durfte, entstehen keine Kollisionen. Die Token-Netze erreichten damals im Vergleich mit dem ungeswitchten Ethernet bei gleichen oder sogar niedrigeren Übertragungsraten einen höheren Durchsatz. Ein 4-MBit/s-Token- Ring war mindestens so schnell wie 10-MBit/s-Ethernet. Im Vergleich mit dem Ethernet hatte der Token Ring einige gewichtige Vorteile. Besonders die Tatsache, dass es nicht zu Kollisionen kommen kann, machte den Token Ring eigentlich zu einem immer noch interessanten Konzept. Das Token- Passing-Verfahren verhindert, dass mehrere Stationen gleichzeitig senden. Ohnehin laufen Informationen immer nur in eine Richtung. Der große Vorteil des Token Rings bestand in der Zuverlässigkeit, Fehlerredundanz und dem auf dem Token-Verfahren realisierten verbindungsorientierten Kommunikationsverhalten. Jedoch ist die Token-Ring-Technologie bei 16 MBit/s stehen geblieben. Auch das Fiber Distributed Data Interface (FDDI) – ein Ring-Verfahren mit 100 MBit/s auf Glasfaser – lebte nur eine recht kurze Zeit.
Auch andere Kommunikationsstandards haben in den vergangenen 20 Jahren aufgegeben.
Das Ethernet hat auch eine Reihe weiterer Wettbewerber überlebt und teilweise ersetzt. Ich denke da beispielsweise an X.25, ISDN oder Frame Relay, PDH Plesiochrone und Synchrone Digitale Hierarchie und vor allem an den Asynchronous Transfer Mode. In der Rückschau steht die zugehörige Abkürzung ATM heute für "All Terrible Mistakes". Diese Technologie wollte durch ein neuartiges Übermittlungsverfahren die Probleme lösen, die wir heute mithilfe des Ethernets und des Switching längst gelöst haben. Auch hier gilt die alte IT-Weisheit: "Never change a running system!"
Wo liegen bei all den Vorteilen von Ethernet dessen Defizite?
Im Umfeld der Automatisierung beziehungsweise dem Internet of Things wird gerade versucht die existierenden Feldbusse durch Ethernet zu ersetzen oder zu ergänzen. Echtzeit bedeutet in vielen Fällen, dass Zykluszeiten im Bereich einstelliger Millisekunden beziehungsweise Mikrosekunden sicher und zuverlässig eingehalten werden. Hierfür müssen sowohl Bandbreite als auch Latenz der Übertragung garantiert werden. Hierzu muss das klassische Ethernet modifiziert werden. Je weiter unten in den OSI-Schichten die Modifikation erfolgt, desto eher wird eine Isochronität erreicht. Durch eine Modifikation des Ethernets auf den unteren Protokollebenen wird allerdings die Kompatibilität zum Ethernet-Standard unter Umständen reduziert.
Was wären denn Beispiele für solche Echtzeit- Erweiterungen?
Beispiele hierfür sind die unterschiedlichen Profinet-Varianten als Adaption der Profibus-Technologie für Industrieanwendungen über Ethernet und TCP/IP. Daneben gibt es mit EtherCAT ein Feldbussystem auf Basis von Ethernet für zeitkritische Motion-Control-Anwendungen. POWERLINK hingegen ist eine rein softwarebasierte Industrial-Ethernet-Umgebung, die auf Basis eines Echtzeitprotokolls viele Anwendungen im Maschinenund Anlagenbau realisiert. Sercos III wiederum nutzt die Übertragungsphysik und das Protokoll von Ethernet als digitale Antriebsschnittstelle zur Realisierung von Motion-Control-Anwendungen. All diese Ethernet-Varianten haben jedoch den Nachteil, dass diese nur relativ geringe Geschwindigkeiten von 100 MBit/s unterstützen. Ganz anders verhält es sich beim Time Sensitive Networking (TSN). Mit diesen Normen ist es möglich, eine einheitliche, deterministische Version von Ethernet zu nutzen. Die TSN-Standards decken alle Geschwindigkeiten ab. TSN erweitert die Schicht 2 des Ethernets um eine Reihe von Mechanismen, die für den Betrieb von Echtzeit notwendig sind: Eine sehr genaue Synchronisation der Uhren im Netzwerk, ein Time Aware Shaper sorgt für eine harte Zeitsteuerung, durch die Preemption-Funktion lassen sich lange Frames teilen, um Verzögerungen für wichtigere Frames zu minimieren, die Option Frame Replication and Elimination for Reliability ermöglicht die Definition von redundanten Pfaden im Netzwerk – beispielsweise Ringe. Durch die speziellen Mechanismen wird bei TSN eine garantierte Latenz und eine garantierte und standardisierte Übertragung gewährleistet, die für harte Echtzeit notwendig ist.
Werden Drahtlosstandards wie Wi-Fi und 5G das kabelgebundene Ethernet ablösen?
Die Ethernet-Prinzipien wie Adressen oder Frames wurden auch in Wi-Fi integriert. Auch handelt es sich bei einem Funknetz prinzipiell um ein "Shared Medium" – also ähnlich dem klassischen Ethernet mit seinen Kollisionen. Die Funksysteme sorgen dafür, dass die verfügbare Bandbreite dynamisch unter den Benutzern aufgeteilt wird. Somit ist die Bandbreite variabel und fällt auch im Optimalfall immer geringer aus als bei den kabelgebundenen Netzen. Die Zukunft der Funktechnik ist von Frequenzknappheit und dem ständig steigenden Bedarf nach höheren Übertragungsraten geprägt. Verbesserte Antennenstrukturen, besser ausgeschöpfte Mehrantennentechnik MIMO und die Trägerbündelung sind derzeit die einzigen Optimierungsmöglichkeiten.
Dennoch sind die Frequenzen knapp.
In Zukunft soll das vorhandene Frequenzspektrum effizienter ausgenutzt werden. Dafür wird an einer dienstneutralen Funkregulierung gearbeitet. Dahinter steckt die Idee, dass jeder Dienst mit jeder Technologie in jedem Frequenzband betrieben werden darf, wenn gegenseitige Störungen technisch ausgeschlossen sind. Zukünftig werden funkbasierte Geräte dynamisch verschiedene lizenzpflichtige als auch lizenzfreie Frequenzbereiche nutzen. Sobald der Datenverkehr im Basisnetz zu stark ist, sucht sich das Gerät einen freien Frequenzbereich. Außerdem arbeitet die Wissenschaft an einer Technik, mit der über einen einzigen Funkkanal zugleich gesendet und empfangen werden kann – quasi ein Vollduplex-Betrieb für Funksysteme.
Wie wird sich das Ethernet und auch die Netzwerktechnologie allgemein weiterentwickeln?
Neben dem Streben nach immer höheren Übertragungsgeschwindigkeiten wird sicherlich auch der Umfang des Ethernet- Standards weiter anwachsen. In den Tiefen meiner Bücherregale befindet sich noch ein gedrucktes und gebundenes Exemplar des Ethernet-Standards von 1987. Dieses umfasst 170 Seiten. Inzwischen ist das gesamte Dokument auf mehrere Tausend PDF-Seiten angewachsen. Davon abgesehen ist das Ethernet auch noch nach 50 Jahren jung und dynamisch. So arbeitet das Metro Ethernet Forum inzwischen nicht nur an der Adaption von Ethernet im WAN-Bereich, sondern hat seinen Fokus auf die Bereiche Sicherheit, Automation, Services und Management ausgeweitet. Im Bereich Sicherheit sind das die Aspekte SASE und Zero Trust.
Eine interessante Neuerung ist auch das Single-Pair-Ethernet.
Das ist ein erst kürzlich verabschiedeter Standard, der für die Erschließung der Bereiche Industrie 4.0 und Internet der Dinge für das Ethernet sorgt. Das Single- Pair-Ethernet bietet die Möglichkeit, die Eigenschaften von TCP/IP und den bislang in dem Bereich verwendeten Bussystemen zu kombinieren. Der Standard ermöglicht Reichweiten bis 15 Kilometer, nutzt vergleichsweise dünne Kabel und kleine Stecker. Von Beginn an ist Single- Pair-Ethernet darauf ausgelegt, neben Daten auch elektrische Leistung – bis 60 Watt – zu übertragen. Durch Power over Data Line sind dafür keine dezentralen Stromversorgungen mehr nötig. Damit wird das Ethernet – neben dem TCP/IPProtokoll – auch in die Datenautobahnen von Fahrzeugen einziehen und die Kabelbäume kleiner und leichter machen und gleichzeitig den Wartungsaufwand reduzieren. Das Ethernet wird sich also weiterhin in neue Lebensbereiche ausbreiten. Die ersten 50 Jahre wurden erfolgreich gemeistert, doch gibt es im Ethernet-Bereich noch viel zu tun!
Wir danken für das Gespräch.