Den Blauen Engel für Rechenzentren gibt es seit 2011. Sein Erfolg war bislang allerdings eher überschaubar. Nun gibt das Bundesumweltministerium eine neue, strengere Version heraus, die etwas anders konstruiert ist als die bisherige. Wir beschreiben den überarbeiteten Aufbau und die Vorgaben, die Betreiber von Rechenzentren und Nutzer von Colocation für den Erhalt des Siegels einhalten müssen.
Rechenzentren sind für die Prozesse in modernen Industriegesellschaften unentbehrlich. Gleichzeitig verbrauchen sie aber viel Energie. Die in ihnen genutzten Server, Speicher, Netzsysteme, Schränke, Kühlaggregate, USVs und Notstromsysteme, aber auch die Gebäude selbst verschlingen viel Materie. Darunter sind teure und seltene Stoffe wie Gold, Silber und Kupfer sowie klimaschädliche Elemente, vor allem die Diesel-Notstromaggregate. Dazu kommt, dass die Standzeit der verwendeten Geräte meist nur bei wenigen Jahren liegt. Zusätzlich werden Rechenzentren häufig groß dimensioniert, weshalb die Auslastung zumindest anfangs eher gering ist. Dieser Trend verstärkt sich durch hohe Sicherheits- und Verfügbarkeitsanforderungen, die im Extremfall die doppelte oder gar mehrfache Auslegung aller wichtigen Systeme erzwingen – eine weitere Quelle für Material- und Energieverschleiß.
Gleichzeitig fordern nicht nur Umweltverbände, sondern auch die Branchenverbände, Rechenzentrumsbetreiber und im Colocation-Bereich vor allem ihre Kunden, dass Rechenzentren nachhaltig werden. Schließlich kann ein nicht nachhaltiger RZ-Dienstleister die Kohlendioxid-Bilanz seiner Kunden stark eintrüben – bei steigenden Zertifikatpreisen und erhöhter Empfindlichkeit von Investoren in Hinblick auf Umweltthemen also auch ein wirtschaftliches Problem.
Trägerorganisationen
Doch wie lässt sich ermitteln, ob ein Rechenzentrum nachhaltig arbeitet? Seit 2011 gibt es in Deutschland dafür einen anerkannten Maßstab, der sich schon bei anderen Produkten und Dienstleistungen bewährt hat: den Blauen Engel "Energie-
Rechenzentren sind für die Prozesse in modernen Industriegesellschaften unentbehrlich. Gleichzeitig verbrauchen sie aber viel Energie. Die in ihnen genutzten Server, Speicher, Netzsysteme, Schränke, Kühlaggregate, USVs und Notstromsysteme, aber auch die Gebäude selbst verschlingen viel Materie. Darunter sind teure und seltene Stoffe wie Gold, Silber und Kupfer sowie klimaschädliche Elemente, vor allem die Diesel-Notstromaggregate. Dazu kommt, dass die Standzeit der verwendeten Geräte meist nur bei wenigen Jahren liegt. Zusätzlich werden Rechenzentren häufig groß dimensioniert, weshalb die Auslastung zumindest anfangs eher gering ist. Dieser Trend verstärkt sich durch hohe Sicherheits- und Verfügbarkeitsanforderungen, die im Extremfall die doppelte oder gar mehrfache Auslegung aller wichtigen Systeme erzwingen – eine weitere Quelle für Material- und Energieverschleiß.
Gleichzeitig fordern nicht nur Umweltverbände, sondern auch die Branchenverbände, Rechenzentrumsbetreiber und im Colocation-Bereich vor allem ihre Kunden, dass Rechenzentren nachhaltig werden. Schließlich kann ein nicht nachhaltiger RZ-Dienstleister die Kohlendioxid-Bilanz seiner Kunden stark eintrüben – bei steigenden Zertifikatpreisen und erhöhter Empfindlichkeit von Investoren in Hinblick auf Umweltthemen also auch ein wirtschaftliches Problem.
Trägerorganisationen
Doch wie lässt sich ermitteln, ob ein Rechenzentrum nachhaltig arbeitet? Seit 2011 gibt es in Deutschland dafür einen anerkannten Maßstab, der sich schon bei anderen Produkten und Dienstleistungen bewährt hat: den Blauen Engel "Energie-
effizienter Rechenzentrumsbetrieb" (DE-UZ-121). Dabei standen vier Organisationen Pate. Erstens ist das zuständige Ministerium, heute das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, der offizielle Zeichengeber. Zweitens dient das Umweltbundesamt, genauer der Fachbereich "Ökodesign, Umweltkennzeichnung, Umweltfreundliche Beschaffung" als Geschäftsstelle der Jury für das Umweltzeichen. Außerdem entwickelt es die fachlichen Vergabekriterien.
Drittens die Jury. Sie beschließt alles Inhaltliche im Zusammenhang mit allen Blauen Engeln. Dem Gremium gehören Vertreter vielfältiger Interessen an. Repräsentiert sind unter anderem Umwelt- und Verbraucherverbände, Gewerkschaften, Industrie, Handel, Handwerk, Kommunen, Wissenschaft, Medien, Kirchen, Jugendverbände und Bundesländer. Hier fällt beispielsweise endgültig die Entscheidung über die zuvor von Fachexperten ausgearbeiteten Kriterien für einen geplanten Blauen Engel.
Viertens organisiert die RAL gGmbH dafür im Vorfeld Expertenanhörungen und vergibt am Ende das Zeichen an überprüfte Produkte oder Einrichtungen, hier Rechenzentren. Geprüft wird von zertifizierten Auditoren, etwa von verschiedenen TÜV-Gesellschaften oder auch diversen kleineren Beratungsunternehmen.
Ziel: Effizienter Rechenzentrumsbetrieb
Die Webseite des Umweltbundesamtes beschreibt DE-UZ-121 wie folgt: "Das Konzept des Umweltzeichens verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, der alle Bereiche eines Rechenzentrums und seiner Infrastruktur umfasst. Dieser systembezogene Ansatz beinhaltet nicht nur die Energieeffizienz einzelner Komponenten, sondern das umweltbewusste Management des Rechenzentrums insgesamt."
Das Siegel erwarben bis heute etwa zwei Handvoll Rechenzentren, vor allem betriebseigene ohne echte Konkurrenz. Denn viele Anwender scheuen die Mühen von Umstellung und Dokumentation, die mit Erwerb und Aufrechterhaltung des Zertifikats notwendig verbunden sind.
Zu den wichtigen Parametern, die überprüft wurden, gehörte unter anderem die PUE, also das Verhältnis der Gesamt- zur Rechenenergie. Je näher der Parameter dem Wert 1 kommt, desto besser. Früher waren durchaus Werte von 2 bis 4 üblich, was bedeutet, dass deutlich mehr Energie zum Kühlen verbraucht wurde als zum Rechnen. Optimale RZ-Architekturen und -Betriebsführung ermöglichen heute Werte im Bereich von 1,2 und besser.
Zertifizierung für Colocation
2020 kam der Blaue Engel "Klimaschonendes Co-Location Rechenzentrum" (DE-UZ-214) hinzu, weil sich dieser Rechenzentrumstyp bislang nicht zertifizieren konnte. Dessen bislang geringen Erfolg erklärt das Umweltbundesamt mit dem Zeitaufwand, etwa einem Jahr. In dieser kurzen Spanne hätte sich seitdem einfach noch kein RZ zertifizieren können. Dabei könne die Zertifizierung durchaus einen Wettbewerbsvorteil bei Behörden mit vorgegebenen Umweltzielen oder ähnlichen Kunden bedeuten. Das Zeichen 214 konzentrierte sich auf besonders effizienten Betrieb der Gebäudetechnik. Denn daran, wie gut die Server der Kunden ausgelastet sind oder wie energieeffizient andere Komponenten arbeiten, kann der Colocation-Anbieter nichts ändern. Seine Hoheit endet an der Tür zum Kundensystem.
Alle Blauen Engel erfahren regelmäßig im Abstand von einigen Jahren eine Überarbeitung. Dann ist es möglich, beispielsweise neue technologische Entwicklungen miteinzubeziehen. Das gilt auch für beide Blauen Engel für Rechenzentren.
Aus zwei mach eins
Das Umweltbundesamt beauftragte für die fällige Überarbeitung der Blauen Engel für RZ beim Ökoinstitut e.V. und beim Beratungsunternehmen Data Center Excellence zunächst ein diesbezügliches Forschungsprojekt. Dazu gehörte die Überarbeitung der Kriterien und des gesamten Konzepts der rechenzentrumsbezogenen Umweltzeichen. Außerdem führte das Ökoinstitut mehrere Workshops durch, um die Ergebnisse seiner Arbeit mit Praktikern zu diskutieren und die Kriterien nochmals anzupassen.
Hier wurde intensiv diskutiert und gestritten – denn wie zu erwarten gehen die Meinungen eingefleischter Rechenzentrumspraktiker aus den Betreiberunternehmen einerseits und die der Vertreter von Umweltbundesamt, Instituten und Beratungsunternehmen andererseits auseinander: Die einen beklagten zu strenge und teure Auflagen, die anderen zu geringen Ehrgeiz der Betreiber in Sachen Nachhaltigkeit.
Unlängst wurden die neuen Kriterien und Antragsunterlagen für den renovierten Blauen Engel für Rechenzentren (DE-ZU-228) und die Antragsformulare auf den Webseiten des Umweltbundesamtes [1] veröffentlicht: Das modulare Konzept sieht nur eine Zertifizierung, aber unterschiedliche Maßgaben für verschiedene Betriebsformen vor. So können sich jetzt auch Unternehmen zertifizieren, die die eigene IT bei einem Dienstleister besonders umweltfreundlich betreiben. Doch dazu später mehr. Die neue Version der Kriterien hat eine Laufzeit bis 2025, dann wird wieder überarbeitet.
Dem modularen Konzept folgend, gibt es zunächst drei Vorgaben, die alle Antragsteller erfüllen müssen (3.1). Dazu kommt eine Reihe von Punkten, die sich nur an RZ-Betreiber richten (3.2), ein weiterer Block wendet sich zusätzlich an RZ-Dienstleister (3.2.6). Eine dritte Adressatengruppe sind die IT-Betreiber (3.3), die ihre IT bei einem Colocation-Anbieter laufen lassen. Eine Tabelle am Anfang des Anforderungsteils stellt die einzelnen Kriterien und ihren zielgruppenbezogenen Geltungsbereich übersichtlich dar.
Anforderungen an alle Gruppen
Grundlegend sind die Maßgaben, die sich an alle Zielgruppen richten: Für den Blauen Engel müssen Rechenzentren ein Energiemanagement betreiben, einen Energieeffizienzbericht bei der Antragstellung und einen zur Abschlussevaluation vorlegen. Die Anforderung des Energiemanagements war in den bisherigen Anforderungen des Blauen Engels für RZ-Betreiber oder Colocation-Nutzer nicht enthalten.
Das Energiemanagement muss sich an die relevanten Normen (DIN EN 50600-3-1, DIN EN ISO 50001 oder EMAS III) anlehnen. Es soll eine fixierte Energiestrategie, klare Zuständigkeiten, ein Messkonzept, Effizienzsteigerungsziele und Messungen zu ihrer Einhaltung, bereichsübergreifende Energiesparmaßnahmen und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess umfassen. Neuanschaffungen müssen Lebenszykluskosten berücksichtigen, zu denen auch die Energiekosten gehören. Bevorzugt erworben werden sollen Produkte, die selbst Umweltzertifikate wie den Blauen Engel für Server und Speicher (DE-UZ-213), Energy Star oder TCO Certified aufweisen.
Der Energieeffizienzbericht bei Antragstellung beschreibt den aktuellen technischen Stand des RZ und dass alle zu diesem Zeitpunkt geltenden Anforderungen eingehalten werden. Bei der Abschlussevaluation sechs Monate vor Ende der Vertragslaufzeit des Blauen Engels erfolgt ein weiterer Bericht. Er dokumentiert, dass alle Anforderungen während der Laufzeit erfüllt wurden und sammelt Daten und Messwerte. Er fließt auch in den Antrag für eine Verlängerung des Zertifikats ein.
Monitoringkonzept für RZ-Betreiber
Nun differenzieren sich die Anforderungen, je nachdem, welche Art von Rechenzentrum zu bewerten ist. Für RZ-Betreiber gelten die Kennzahlen PUE (Power Usage Effectiveness), CER (Cooling Efficiency Ratio), ERF (Energy Reuse Factor) und WUE (Water Usage Effectiveness). Dabei ersetzt CER, der auch in der DIN EN 50600-4-7 vorgesehene Parameter, die bis dahin übliche Jahresarbeitszahl (JAZ) bei Wärme-/Kältemaschinen. Die Kriterien liefern detaillierte Berechnungshinweise.
Allen Messungen muss ein nachvollziehbares Messkonzept zugrunde liegen. Die Erhebung der Werte erfolgt im Rechenzentrum. RZ-Betreiber liefern bei Antragstellung ein Schema der elektrischen und Kühlanlagen. Es zeigt neben den Anlagen alle Mess- und Zählpunkte und benennt sie. Außerdem definiert es, mit Hilfe welcher Zähler und Messstellen die oben genannten Kennzahlen berechnet werden und wie das geschieht.
Darüber hinaus müssen RZ-Betreiber das ganze Jahr über mindestens einmal monatlich den Gesamtstrombedarf des RZ, den der IT, der Kühleinrichtungen und sonstiger Aggregate (zum Beispiel Beleuchtung) ermitteln. Dazu kommen Messwerte für Eigenerzeugung elektrischen Stroms, für erzeugte Kälte, Wärmeabfuhr und genutzte Abwärme. Zum Thema Wasser müssen die RZ-Betreiber den Trinkwasserverbrauch von Verdunstungskühlern erfassen sowie beschreiben, wie und in welchen Mengen sie andere Wasserquellen nutzen. Schließlich wird auch der nichtelektrische Energiehunger abgefragt sowie die Art des verwendeten Brennstoffs. Die Messungen haben Antragsteller in Tabellenform zu dokumentieren und über die gesamte Laufzeit des Umweltzeichens fortzuführen.
Weiter gehört ein Inventar der Kältetechnik und Energieversorgung zum Antrag, das die vorhandenen Komponenten wie Kühlanlagen, USV-, elektrische Schalt- und Netzersatzanlagen mit Treibstofflager auflistet. Neuanschaffungen werden in die Aufstellung eingearbeitet, aussortierte Geräte gestrichen.
Grüne Energieversorgung
Abschnitt 3.2.4 legt fest, dass Blaue-Engel-Rechenzentren sich zu 100 Prozent durch erneuerbare Energien versorgen sollen. Eine Ausnahme gilt, wenn die Energie von einem Gebäudevermieter oder einem entsprechenden Akteur bezogen wird, von dem der RZ-Betreiber in Hinblick auf die Energieversorgung abhängig ist und dessen Verhalten er nicht beeinflussen kann. Allerdings nur dann, wenn der Strom, den der Energieversorger an den RZ-Versorger liefert, weniger als 20 Prozent von dessen Erzeugung ausmacht. Dann muss der RZ-Betreiber Kompensationszertifikate in Höhe seines Verbrauchs kaufen.
Dabei stellt der Blaue Engel konkrete Anforderungen an die Qualität der Zertifikate, die ein Antragsteller vom Kompensationsanbieter abfragen muss: Die durch die Zertifikate unterstützten Erneuerbare-Energien-Projekte müssen neu sein. Ihr Nachhaltigkeitsnutzen ist nachvollziehbar zu dokumentieren. Doppelzählungen sind zu vermeiden. Zertifikatkauf in Nordeuropa ohne entsprechende Energietransporte nach Westeuropa funktioniert beim Blauen Engel also nicht. Viele Brancheninsider finden das weltfern – so viel Erneuerbare in Reichweite gäbe es schlicht nicht, heißt es.
Neu ist die Anforderung, die Werte PUE (DIN EN 50600-4-2), CER (DIN EN 50600-4-7), ERF (DIN EN 50600-4-6) und WUE (DIN EN 50600-4-9) jährlich zu veröffentlichen. Wahrscheinlich dürfte das auf ein Listing in dem bislang freiwilligen RZ-Register PeerDC [2] hinauslaufen. Es ist derzeit beim Umweltbundesamt und der Universität Stuttgart (Institut für rationelle Energieverwendung, IER) in der Entwicklung. Ziel ist, daraus zunächst ein bundesweites RZ-Register, eine Art RZ-Kataster, zu machen und dies später auch für den Einsatz auf europäischer Ebene vorzuschlagen. Für den Blauen Engel reicht aber die Veröffentlichung der Werte zum Beispiel auf der eigenen Website. Das soll potenziellen Nutzern des RZ ermöglichen, unterschiedliche Angebote in Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit zu vergleichen.
Geforderte Werte für PUE und CER
Zeitraum (Inbetriebnahme des RZ)
ab 1.1.24
1.1.2019 bis 1.12.2023
1.1.2015 bis 31.12.2018
bis 31.12.2014
PUE
≤ 1,25
≤ 1,30
≤ 1,50
≤ 1,60
CER
> 9
> 8
> 7
> 5
Zusatzanforderungen für Colocation
Zusätzliche Anforderungen wenden sich an Colocation-Dienstleister, Hoster und andere, die RZ-Flächen überlassen: Sie müssen ihre Kunden ab 5 kW/h mindestens monatlich den IT-Stromverbrauch und die elektrische IT-Spitzenlast nennen. Außerdem müssen sie diesen Kunden effizienzfördernde Tarifmodelle anbieten. Strom-Flatrates sind verboten, ebenso Unterbietungen des Einkaufspreises pro Energieeinheit, Mindestabnahme- oder pauschale Freimengen, außer es wird gar nicht miteinander abgerechnet – etwa bei Forschungsverbünden. Außerdem muss der Colocation-Dienstleister oder Hoster seine Kunden zu Energiesparmöglichkeiten beraten und sie dabei unterstützen.
Für die erlaubten Werte von PUE und CER gibt es detaillierte Vorgaben, abhängig davon, wann das RZ gebaut wurde (siehe Tabelle). Weniger strenge Anforderungen gelten für neu in Betrieb genommene RZ, weil diese in der Regel noch nicht voll ausgelastet sind. Hier dürfen PUE und CER in den ersten zwei Jahren etwas nach oben abweichen.
Klimaschädlichen Kälte- und Isoliermitteln zeigt der Blaue Engel die Rote Karte: RZ über 10 kW thermischer Leistung, die nach dem 1.1.2013 in Betrieb gingen, dürfen nur noch halogenfreie Kältemittel nutzen. Nach dem 1.1.23 in Betrieb genommene RZ-Strom-Schaltanlagen dürfen auch kein Schwefelhexafluorid verwenden.
Zankapfel Abwärmenutzung
Ein gewaltiger Zankapfel war und ist die Abwärmenutzung – nach Meinung vieler Fachleute im Grunde der Königsweg dazu, den Rechenzentren mehr Effizienz als bisher abzutrotzen. Schließlich machen Rechner aller Art die vereinnahmte Energie zu weit mehr als 99 Prozent zu Abwärme. Dieselbe Diskussion tobt nun auch im Zusammenhang mit dem geplanten Energieeffizienzgesetz der Bundesregierung, das sich in seinem Abschnitt über Rechenzentren explizit auch auf den Blauen Engel bezieht und Mindestwerte für Abwärmenutzung vorsieht.
Der Grund der Diskussionen ist die in Deutschland weitgehend fehlende Infrastruktur zur Abnahme von Niedertemperatur-Abwärme, gepaart mit sehr hohen Temperaturen der vorhandenen Wärmenetze. RZ-Abwärme muss daher meist energieintensiv "hochgepumpt" werden, was bei großen Temperatursprüngen selbst bei sehr effizienten Wärmepumpen potenzielle Effizienzgewinne wieder zunichtemacht.
Was schreibt nun das Umweltzeichen hier vor? Grundsätzlich muss jedes RZ mit dem Blauen Engel einen Teil der Abwärme selbst nutzen. RZs mit mehr als 100 kW Anschlussleistung müssen für Abwärmenutzung vorbereitet sein und veröffentlichen, wie viel Wärme sie abgeben könnten und die Wärme potenziellen Abnehmern anbieten. Der ERF soll also auf jeden Fall größer sein als Null, was der Fall ist, sobald irgendwelche Abwärme genutzt wird, ob nun intern oder extern.
IT-Betrieb im Colocation-RZ
Wer seine IT bei einem Colocation-Anbieter oder Hoster betreibt, muss weniger Kriterien berücksichtigen. Er soll eine IT-Inventarliste (Server, Speicher, Netzsysteme) samt aller wichtigen Eigenschaften erstellen und fortführen. Weiter ist die IT-Last zu überwachen. Ermittelt und tabellarisch vorgehalten werden bei Servern die mittlere monatliche Auslastung der CPU je Server und die mittlere monatliche Speicherplatzbelegung pro Speichersystem. Dabei muss die Mindestauslastung der CPUs 20 Prozent erreichen, um Blauer-Engel-würdig zu sein.
Der Auslastungswert der Server (ITEUSV) wird gemäß ISO 30134-5 ermittelt. Er besteht aus dem arithmetischen Mittel der Einzelauslastungen aller Server über den Messzeitraum – wobei auch 90 Prozent der physischen Server reichen sollen. Multi-
core-Systeme verwenden die durchschnittliche Auslastung aller Kerne in einem System als Messwert für den betreffenden Server. Die durchschnittliche Jahresauslastung kann als Mittelwert der Monatswerte errechnet werden. Das Anforderungspapier empfiehlt ausdrücklich, Server bei geringer Auslastung abzuschalten, um den Wert zu erhöhen. Nicht eingeschlossen sind GPUs, weil sie die oben angegebene ISO-Norm nicht erfasst, sowie RZ mit einer Betriebsdauer unter 15 Monaten. Letztere dürfen ab Zeitpunkt der Inbetriebnahme messen, aber mindestens einen Monat lang.
Die mittlere Auslastung der Speicher errechnet sich für HDDs und SSDs, Speicherbänder bleiben draußen. Maßgeblich ist der Durchschnitt der Auslastung aller vorhandenen Speichersysteme, wobei mindestens 90 Prozent der Systeme erfasst sein müssen. Dafür werden die Speicherkapazitäten aller Speichersysteme aufsummiert und durch die Zahl der Systeme geteilt.
Dasselbe geschieht mit den mit Daten gefüllten Speicherkapazitäten dieser Systeme. Dann bilden Bewerber einen Koeffizienten aus den jeweiligen Durchschnittswerten, fortlaufend monatlich und einmal jährlich als Jahresdurchschnitt aus den Monats-Durchschnittsauslastungen.
Außerdem sollen Bewerber, die IT extern betreiben, grundsätzlich die Nachnutzung von Servern und Speichern anstreben. Sie können sie dafür an gemeinnützige Einrichtungen, Refurbisher oder den Hersteller abgeben. Ausnahme sind Datenträger mit Verschlusssachen.
Branchenverbände skeptisch
Die Branche sieht die neuen Vorgaben überwiegend negativ. Die Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen, eine Initiative des eco-Verbandes, kritisiert unter anderem Praxisferne und Untauglichkeit. Sie bemängelt fehlende Flexibilität vor allem im Bereich Abwärmenutzung. Das mutet etwas seltsam an. Denn der Blaue Engel fordert lediglich, die Abwärme zu einem geringen Teil selbst zu verwenden und ansonsten Möglichkeiten dafür bereitzuhalten, falls sich irgendwann ein Abnehmer findet. Außerdem habe der Blaue Engel international kaum Bedeutung.
Ganz ähnlich der Branchenverband Bitkom: RZ-Betreiber hätten nur bedingt Einfluss auf die Auslastung der Versorgungssysteme, die PUE-Grenzen seien realitätsfremd, zur Messung des IT-Equipments wären keine intelligenten PDUs (die die Norm vorschreibt) nötig, die Kriterien für Colocation griffen in die Preisgestaltung der Unternehmen ein und eine Auslastungsvorgabe von Servern sei schädlich, da sie zur unnötigen Belastung der Geräte führen könne – wobei bei einem geforderten Auslastungs-Durchschnittswert von 20 Prozent eine Überlastung bei sinnvoller Handhabung ziemlich unwahrscheinlich erscheint. Zudem praktizieren große Hoster diese Methode auch heute schon.
Wie dem auch sei: Mehr praktische Bedeutung als bisher wird der Blaue Engel für Rechenzentren in Zukunft auf jeden Fall bekommen. Denn die Rechenzentren öffentlicher Träger sollen sich laut Energieeffizienzgesetz künftig an dem erneuerten Umweltzeichen ausrichten. Ob dem viele gleichartige Anstrengungen auf Unternehmensseite folgen, ist ungewiss.
Als neue Parameter für die Zukunft geplant sind beispielsweise Wochen-Auslastungskurven für zehn repräsentative Server, die GPU-Leistung und -Auslastung und der Anteil der durch im Leerlauf befindliche Server vergeudeten Elektrizität (Server Idle Energy Coefficient). Damit sich die Betreiber schon einmal in dieses Thema eindenken können, liefern die Kriterien im Anhang das Berechnungsverfahren des SIEC gleich mit. Außerdem sollen Rechenzentren ein übergreifendes Umweltmanagement einführen.
Alternativen zum Blauen Engel
Trotz aller Ablehnung scheint sich die Branche inzwischen klar darüber zu sein, dass sich in Sachen Nachhaltigkeit etwas ändern muss. RZ-Baustopps und hohe Auflagen in diversen europäischen Metropolen sprechen eine deutliche Sprache. Industrienähere Konsortien und Anbieter entwickeln daher eigene Nachhaltigkeitsprüfungen.
So gibt es die Initiative "Climate Neutral Data Centre Pact". An ihr wirken eine Reihe einschlägiger nationaler Branchenverbände aus Europa mit. In den Grobzielen gibt es viele Übereinstimmungen mit dem Blauen Engel: Kohlendioxidfreie Energie, sparsamer Wasserverbrauch, Reuse/Repair und so weiter. Entsprechende Arbeitsgruppen wurden gebildet. Der Verband kooperiert eng mit der europäischen Kommission und pocht auf einen größeren Effekt der Selbstregulierung gegenüber staatlichem Eingreifen.
Eine weitere Alternative ist die Zertifizierung SDC (Sustainable Datacenter) des TÜV Rheinland. Im März erwarb ein Rechenzentrum von Akquinet in Norderstedt als Erstes dieses Zertifikat.
Fazit
Auf welchem Weg auch immer: Rechenzentren müssen nachhaltiger werden. Diese Einsicht hat sich beim Gesetzgeber und in der Fachwelt durchgesetzt. Die Ansichten über die Wege dahin differieren aber. Doch einen Weg zurück gibt es nicht. Denn wer bei der IT im RZ oder bei einem Colocation-Anbieter nicht auf Nachhaltigkeit achtet, wird es mit steigenden Zertifikatpreisen spätestens ab 2027 empfindlich im Portemonnaie spüren – je digitaler das Unternehmen, desto mehr. Und Druck auf die Kasse ist bekanntlich einer der wirksamsten Veränderungsmotoren.