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2025

05

2025-04-29T12:00:00

Künstliche Intelligenz

SCHWERPUNKT

060

Künstliche Intelligenz

KI

Netzwerkmanagement

KI im Netzwerk- und Security-Management

Agenten im Einsatz

von Markus Nispel

Veröffentlicht in Ausgabe 05/2025 - SCHWERPUNKT

Angesichts des Hypes um künstliche Intelligenz scheinen einige Unternehmen KI-Projekte um der KI selbst willen anzugehen. Damit drohen Fehlinvestitionen und Wildwuchs. Stattdessen sollte zunächst strategisch entschieden werden, wie ein Unternehmen KI einsetzen und zukünftig nutzen möchte. Ein lohnender Ansatz im IT-Bereich besteht darin, Netzwerk- und Security- Management mittels KI-Agenten zusammenzuführen und zu automatisieren.

Wird es demnächst eine allgemeine künstliche Intelligenz geben, die uns Menschen überflügelt? Schätzungen von Fachleuten lassen diesen Zeitpunkt immer näher rücken, dennoch bleiben sie vorerst Spekulation. Im Unternehmensalltag ist hingegen, wie der Ökonom Erik Brynjolfsson von der Stanford University betont [1], eine ganz andere Frage zentral: Wann wird es eine "transformatorische" künstliche Intelligenz geben – also eine, die das Wirtschaftsleben im großen Stil verändert? Dieser Zeitpunkt scheint mit den aktuellen großen Sprachmodellen (Large Language Models, LLMs) erreicht. Nicht umsonst setzen viele Entscheider große Hoffnungen in KI.
KI mit Umwälzungspotenzial
Die transformatorische Kraft aktueller KI-Systeme zeigt sich darin, dass sie in sämtlichen Bereichen eines Unternehmens Vorteile bringen können. KI-Szenarien verfolgen dabei in der Regel eines von drei Zielen:
- Prozesse beschleunigen,
Wird es demnächst eine allgemeine künstliche Intelligenz geben, die uns Menschen überflügelt? Schätzungen von Fachleuten lassen diesen Zeitpunkt immer näher rücken, dennoch bleiben sie vorerst Spekulation. Im Unternehmensalltag ist hingegen, wie der Ökonom Erik Brynjolfsson von der Stanford University betont [1], eine ganz andere Frage zentral: Wann wird es eine "transformatorische" künstliche Intelligenz geben – also eine, die das Wirtschaftsleben im großen Stil verändert? Dieser Zeitpunkt scheint mit den aktuellen großen Sprachmodellen (Large Language Models, LLMs) erreicht. Nicht umsonst setzen viele Entscheider große Hoffnungen in KI.
KI mit Umwälzungspotenzial
Die transformatorische Kraft aktueller KI-Systeme zeigt sich darin, dass sie in sämtlichen Bereichen eines Unternehmens Vorteile bringen können. KI-Szenarien verfolgen dabei in der Regel eines von drei Zielen:
- Prozesse beschleunigen,
- Prozesse ersetzen und
- neue Erfahrungen für Kunden, Mitarbeiter et cetara schaffen.
Die erste Frage, die sich Unternehmen stellen sollten, lautet: Was wollen wir erreichen? Diese Entscheidung beeinflusst Budgetierung, Planung, Design, Implementierung und Betrieb der KI. Die Folgefrage lautet dann: Wo setzen wir sinnvollerweise an? Ein zuverlässiges und effizientes Netzwerk ist heute die Geschäftsgrundlage eines jeden Unternehmens. Gleichzeitig sind IT-Infrastrukturen immer häufiger – teils gezielten – Angriffen ausgesetzt. Es liegt daher nahe, das Potenzial von KI zu nutzen, um das Netzwerk- und Security-Management möglichst effizient zu konsolidieren und zu automatisieren.
Produktiverer Helpdesk
Ein Beispiel aus der Praxis sind die Vorteile [2], die eine Unterstützung durch KI-Agenten, also (semi-)autonomen KI-Werkzeugen, am Arbeitsplatz bietet. Dazu gehören Helpdesk, Service Desk wie auch Call Center. Angesichts der hohen Personalfluktuation ist es hier wichtig, neue Mitarbeiter möglichst schnell mit Fachwissen einzulernen. Generative KI eignet sich hier sehr gut: Ein KI-Agent durchsucht das gesammelte Know-how nach relevanten Informationen, fasst Details zusammen und schlägt Lösungen vor. Die KI-Unterstützung steigert die Produktivität des Teams unmittelbar, wobei vor allem wenig geschulte oder neue Kollegen profitieren.
Zudem ebnet dies den Weg dafür, Kunden eine bessere und vor allem konsistente Anwendererfahrung zu liefern. Mitunter kann der First-Level-Support dem Second-Level dank KI sogar Aufgaben abnehmen. So spart der Einsatz von KI-Agenten Zeit und Geld, während die Servicequalität steigt. Von Vorteil ist dies insbesondere für Managed Services Provider (MSP) und für IT-Abteilungen, die als Profitcenter agieren.
Langer und kurzer Weg zur KI-Unterstützung
Einem Unternehmen bieten sich drei Pfade zur KI-Unterstützung. Erstens kann es Public-Cloud-Services wie ChatGPT oder Microsoft Copilot nutzen. Diese Services lassen sich aber nur in sehr eingeschränktem Maß an individuelle Anforderungen einer Organisation anpassen. Zudem sind Datenschutzbeauftragte von diesem Ansatz mitunter nicht begeistert.
Ein zweiter Weg besteht in der individuellen Anpassung von KI-Ressourcen an die Datenbestände, Abläufe und Prozesse eines Unternehmens. Anstatt das Rad neu zu erfinden, setzen Firmen dazu auf Retrieval Augmented Generation (RAG). Hierbei kombiniert das Projektteam ein vortrainiertes Sprachmodell mit dem Wissensbestand des Unternehmens und stimmt damit eine KI auf die Ziele des Unternehmens ab – oder entwickelt Letztere selbst. Für dieses Vorgehen eignet sich am besten eine hybride Architektur: Das Unternehmen nutzt Cloudressourcen für das rechenaufwendige Modelltraining und teils auch die Inferenz, während Datenbestände und -management im Unternehmen verbleiben. Bei besonders hohem Datenschutzbedarf lässt sich dies auch lokal und isoliert betreiben.
Möchten IT-Verantwortliche ein System vor Ort implementieren, muss es dafür zunächst in einem Discovery-Lauf alle relevanten Datenquellen identifizieren. Anschließend geht es an das Aggregieren, Abgleichen und Aufbereiten der Datenbestände, um diese zu normalisieren. Die Auswahl des geeigneten Sprachmodells und der Toolchain sowie die Anpassung der KI erfordern Data-Science-Expertise. Hier muss das Unternehmen also Data Scientists einstellen.
Der dritte Projektansatz bietet hierzu eine Alternative: Je nach Anwendungsfall kann ein Unternehmen auf Anbieter setzen, die bereits einiges an Vorarbeiten von der Auswahl der KI-Toolchain über das Modelltraining bis hin zur Entwicklung von KI-Agenten geleistet haben. Aufgrund des hohen Aufwands bei KI-Eigenentwicklungen ist zu erwarten, dass Firmen zunehmend auf Anbieter setzen, die passende KI-Agenten gleich mitliefern. So lassen sich Projekte einfacher und schneller umsetzen – eine Abkürzung zur Wertschöpfung durch KI.
Wichtig zu wissen: KI-Agenten sind mehr als nur Chatbots. Ein KI-Agent kann nicht nur mit einem Endanwender kommunizieren, sondern auch selbsttätig Aufgaben lösen, wobei er auf Wissensdatenbanken und bei Bedarf auch auf Echtzeitdaten zugreift.
Netzwerke verlässlicher und sicherer dank KI
Welche Vorteile KI-Agenten im IT-Management bieten, lässt sich anhand einiger Beispielszenarien veranschaulichen:
- Troubleshooting: Ein Endbenutzer beschwert sich, dass eine Anwendung zu langsam reagiert. Er ist Disponent und greift vom Lager aus auf das Warenwirtschaftssystem zu. In der Lagerhalle steht gerade ein Gabelstapler mit einer Metallbox, die das WLAN-Signal stört. Ein solches Hindernis muss erst einmal gefunden werden. Dazu muss der Helpdesk zahlreiche Fehlerquellen überprüfen: das WLAN, das verkabelte Netzwerk, Zugangskontrollmechanismen, Firewall, weitere Sicherheitssysteme, das Endgerät, Server, Datenbank, Applikation et cetera. Die Stärke des maschinellen Lernens (ML) liegt genau darin, Muster und Ausreißer in sehr großen Datenmengen zu erkennen. ML-Analysen können dann mittels generativer KI automatisiert zu einer Antwort oder Empfehlung formuliert werden, die wiederum in die Wissensbasis einfließt. Ein KI-Agent leistet hier wichtige Vorarbeit, indem er die Störungsquelle auf den WLAN-Zugang eingrenzt und Lösungsvorschläge liefert.
- Erstellen von Remote-Access- und Zero-Trust-Richtlinien: Die typischen Anwender in Unternehmen arbeiten heute hybrid. Sie greifen innerhalb der Firma und auch von außerhalb auf benötigte Ressourcen zu. Dies erfordert an verschiedenen Stellen – auf Netzwerk-, Applikations- und Datenebene – Zugriffskontrollmechanismen. Denn der Best-Practice-Ansatz einer Zero-Trust-Architektur verfolgt unter anderem das Ziel, Endanwenderzugriffe auf das Nötige zu beschränken, um die Angriffsfläche zu minimieren. Ein KI-Agent kann die Erstellung von Richtlinien beschleunigen, indem er bestehende Vorgaben analysiert und sie an die Rolle eines Nutzers anpasst.
- Angriffserkennung und -abwehr: Securityprodukte zahlreicher Anbieter arbeiten längst KI/ML-gestützt. Schließlich geht es gerade bei der Angriffserkennung darum, die "Nadel im digitalen Heuhaufen" zu finden – keine Stärke des Menschen, aber eine Kernkompetenz von ML. Ein KI-Agent kann hier nützliche Zuarbeit leisten: Er weist das Securityteam auf entdeckte Auffälligkeiten hin und gibt Empfehlungen zur Vorgehensweise auf Netzwerk- und auf Sicherheitsseite. Bei der forensischen Analyse nach einem Angriff wiederum helfen KI-Agenten, die Aktivitäten eines Angreifers automatisiert nachzuvollziehen. So lassen sich der Einstiegspunkt, die laterale Bewegung des Angreifers im Netzwerk und der entstandene Schaden schneller ermitteln. Die Integration von Netzwerk- und Security-KI erleichtert es dabei, Netzwerk- von Sicherheitsvorfällen zu unterscheiden.
- Berichtswesen: KI-Agenten machen auch das unbeliebte Thema Reporting besser handhabbar. Ein Beispiel wäre ein Report, der alle Abonnements (Subscriptions), Serviceverträge, Ersatzteile und Ersatzteillieferzeiten erfasst, um sicherzustellen, dass alle kritischen Services eines Unternehmens im Rahmen eines bestimmten Service Level Agreements (SLA) abgedeckt sind. Von Bedeutung sein kann dies etwa für Zulieferer, die einem Kunden ein hohes Maß an Verfügbarkeit ihrer Services garantieren müssen.
Mittels regelmäßiger netzwerkweiter Datenanalyse, Dashboards und Konversations-Interface lassen sich Reports mal automatisiert, mal zumindest halb automatisiert erstellen. Dies erleichtert das Berichtswesen in so unterschiedlichen Disziplinen wie dem Netzwerk- und dem Security- bis zum Compliance-Management. Beteiligte Teams können dabei KI-gestützt einen gemeinsamen Datensatz auswerten – Stichwort Augmented Analytics. Die Konsolidierung der KI-Tools senkt auch in diesem Fall die Beschaffungs- und die Betriebskosten.
Ein Troubleshooting-KI-Agent kann Admins bei der Problemlösung aktiv unterstützen und seine Erkenntnisse in Form eines Chats wiedergeben. (Quelle: Extreme Networks)
Die Zukunft gehört integrierbaren KI-Agenten
Künftig ist die Integrationsfähigkeit von KI-Agenten mit Drittsystemen und anderen Agenten von großer Bedeutung. Denn es werden KI-Agenten-Ökosysteme entstehen, ähnlich den heutigen verwobenen Applikationslandschaften. Die API-Kommunikation erfolgt dann nicht mehr zwischen Applikationen, sondern direkt zwischen Agenten. Integrierbarkeit vergrößert den Wertbeitrag der KI-Agenten also beträchtlich. Den Fluchtpunkt der Entwicklung bildet dann die KI-gestützte Vollautomation von Prozessen, sodass der Mensch nur noch die KI beaufsichtigen und Sonderfälle bearbeiten muss.
Fazit
Strategisch geplant und konsequent umgesetzt, können KI-Agenten wichtige Prozesse zumindest teilautomatisieren und so die Kosten senken. Die Nutzung cloudbasierter Consumer-KI-Services empfiehlt sich dabei ebenso wenig wie eine Eigenentwicklung von Grund auf. Die Zukunft gehört vortrainierten, integrierbaren KI-Agenten. Darauf sollten Unternehmen bei KI-Investitionen achten – auch und gerade in der IT.
(dr)
Markus Nispel ist CTO EMEA, Head of the Office of the CTO und Head of AI Engineering bei Extreme Networks.
Link-Codes
[1] Vortrag "The AI Awakening: Implications for Business and the Economy" (Video): https://www.youtube.com/watch?v=Eyi6gbW33Fc
[2] Paper "Generative AI at Work": https://www.nber.org/papers/w31161