ADMIN

2025

05

2025-04-29T12:00:00

Künstliche Intelligenz

SCHWERPUNKT

090

Künstliche Intelligenz

KI

Process Mining

Prozessintelligenz als Grundlage der Entscheidungsfindung

Kollege KI

von Wil van der Aalst

Veröffentlicht in Ausgabe 05/2025 - SCHWERPUNKT

Das traditionelle Process Mining hat sich zur Prozessintelligenz weiterentwickelt. Unter Einbezug objektzentrierter Ereignisdaten, richtungsweisender KPIs und umfassender Prozessmodelle sowie verschiedener KI-Funktionen entsteht ein digitaler Zwilling der Unternehmensabläufe. KI-Anwendungen wie die viel diskutierten KI-Agenten erhalten erst dadurch Zugriff auf kontextualisiertes Unternehmenswissen und können so dazu beitragen, die Entscheidungsfindung zu verbessern. Wie sich Prozessintelligenz in der Praxis darstellt, zeigt dieser Beitrag.

Process Mining hat sich mittlerweile branchenübergreifend etabliert. Wie ein Röntgengerät durchleuchtet es Unternehmensprozesse von Anfang bis Ende und reichert die Erkenntnisse mit Daten aus internen und externen Quellen an, um ein ganzheitliches Bild zu erzeugen. Die so gewonnene Ende-zu-Ende-Transparenz vermittelt Unternehmen oft zum ersten Mal eine konkrete Vorstellung davon, wie die Prozesse in ihrer Organisation tatsächlich ablaufen.
Zugleich macht sie Ineffizienzen und Schwachstellen sichtbar, sodass Anwender diese gezielt angehen und den betreffenden Prozess effektiv optimieren können. Schon durch kleine Veränderungen lassen sich auf diese Weise große Mehrwerte realisieren. Zudem ermöglicht die neu gewonnene Transparenz Prozesseinblicke in Echtzeit, die bei der Entscheidungsfindung im Unternehmen Unterstützung bieten.
Objektzentrierte Sichtweise
In den vergangenen Jahren hat sich die zugrunde liegende Technologie sukzessive weiterentwickelt und die klassische fallzentrierte Betrachtung von Ereignisdaten zugunsten einer objektzentrierten hinter sich gelassen. Statt Prozesse und Arbeitsschritte isoliert zu betrachten, deckt Object-centric Process Mining auf, wie Objekte innerhalb organisationsweiter Pro- zesse zusammenhängen. Statt also beispielsweise nur die Prozesse in Einkauf, Buchhaltung oder Produktion in den Blick zu nehmen, rückt die einzelne Bestellung, Rechnung oder der Produktionsauftrag in den Fokus, und zwar entlang des gesamten Bearbeitungsverlaufs über Abteilungsgrenzen hinweg.
Process Mining hat sich mittlerweile branchenübergreifend etabliert. Wie ein Röntgengerät durchleuchtet es Unternehmensprozesse von Anfang bis Ende und reichert die Erkenntnisse mit Daten aus internen und externen Quellen an, um ein ganzheitliches Bild zu erzeugen. Die so gewonnene Ende-zu-Ende-Transparenz vermittelt Unternehmen oft zum ersten Mal eine konkrete Vorstellung davon, wie die Prozesse in ihrer Organisation tatsächlich ablaufen.
Zugleich macht sie Ineffizienzen und Schwachstellen sichtbar, sodass Anwender diese gezielt angehen und den betreffenden Prozess effektiv optimieren können. Schon durch kleine Veränderungen lassen sich auf diese Weise große Mehrwerte realisieren. Zudem ermöglicht die neu gewonnene Transparenz Prozesseinblicke in Echtzeit, die bei der Entscheidungsfindung im Unternehmen Unterstützung bieten.
Objektzentrierte Sichtweise
In den vergangenen Jahren hat sich die zugrunde liegende Technologie sukzessive weiterentwickelt und die klassische fallzentrierte Betrachtung von Ereignisdaten zugunsten einer objektzentrierten hinter sich gelassen. Statt Prozesse und Arbeitsschritte isoliert zu betrachten, deckt Object-centric Process Mining auf, wie Objekte innerhalb organisationsweiter Pro- zesse zusammenhängen. Statt also beispielsweise nur die Prozesse in Einkauf, Buchhaltung oder Produktion in den Blick zu nehmen, rückt die einzelne Bestellung, Rechnung oder der Produktionsauftrag in den Fokus, und zwar entlang des gesamten Bearbeitungsverlaufs über Abteilungsgrenzen hinweg.
Durch diesen Perspektivwechsel sind nicht jedes Mal neue Daten aus den Quellsystemen erforderlich, wenn es gilt, einen anderen Aspekt des Prozesses zu beleuchten. Vielmehr dient das objektzentrierte Datenmodell als Single Source of Truth für alle Prozessinformationen und schafft eine Art lebendigen "digitalen Prozesszwilling" des Unternehmens, indem es Daten über Systeme, Abläufe und Kontexte hinweg integriert. Dieser ist systemunabhängig, objektiv und dynamisch, wodurch ein ganzheitlicheres Bild der Abläufe entsteht.
Eine weitere Säule dieser Entwicklungsstufe des Process Mining, die mit dieser veränderten Betrachtungsweise einhergeht, ist Prozessintelligenz. Sie baut auf den Ergebnissen des Process Mining auf und verknüpft sie in einem nächsten Schritt unter anderem mit Erfahrungswissen aus bisherigen Projekten. Damit hat Prozessintelligenz eine wichtige Funktion für den effizienten Einsatz von KI-Anwendungen inne: Sie verschafft diesen Zugriff auf das nötige Kontextwissen, um auch im Unternehmenszusammenhang aktuelle, relevante und valide Ergebnisse zu liefern. Denn während privat genutzte KI-Anwendungen bei der Ergebnisberechnung auf eine Vielzahl an Quellen wie Nachrichtenseiten, Wikis oder Archive zurückgreifen können, stehen geschäftlich genutzten Tools in der Regel nur die im Unternehmen vorhandenen Systeme zur Verfügung. Deren Daten können die Anwendungen jedoch oft nicht ohne Weiteres nutzen.
Prozessintelligenz als gemeinsame Sprache
Genau dieses Bindeglied fehlt vielen Unternehmen derzeit noch – ein häufiger Grund, weshalb KI-Projekte scheitern. Denn nur zusammen mit dem richtigen Kontext können KI-Anwendungen faktenbasierte Entscheidungen treffen. Ein Beispiel, um das zu illustrieren: Large Language Models (LLMs) arbeiten auf Basis von Wahrscheinlichkeiten. Selbst bei vermeintlich einfachen Additionsaufgaben liegen sie jedoch falsch, wenn ihnen das relevante Prozesswissen fehlt (also in diesem Fall der Rechenweg). Wird das LLM nun aber dazu aufgefordert, einen Taschenrechner zur Aufgabenlösung zu nutzen, kommt es zum korrekten Ergebnis – denn durch dieses Werkzeug steht ihm das nötige Wissen zur zielführenden Verarbeitung der Daten zur Verfügung.
Wie der Taschenrechner in diesem Beispiel versorgt Prozessintelligenz Unternehmens-KI mit dem Wissen, das sie braucht, um korrekte Ergebnisse zu erzielen. Sie fungiert dabei wie eine gemeinsame Sprache, die alle Teile und Ebenen eines Unternehmens miteinander verbindet. Dadurch schafft sie eine zentrale Voraussetzung für einen effektiven Einsatz künstlicher Intelligenz, beispielsweise mit Blick auf generative KI: Mit den nötigen Einblicken, wie Prozesse innerhalb eines Unternehmens idealerweise ablaufen und wie der reale Verlauf davon abweicht, können entsprechende Anwendungen hilfreiche Empfehlungen zur Prozessverbesserung geben. Zudem lassen sich mithilfe von Prozessintelligenz neue, unternehmensspezifische KI-Anwendungen erstellen, die präzise auf die jeweiligen Anforderungen zugeschnitten sind. Dies gilt auch für KI-Agenten – ein Begriff, der derzeit in aller Munde ist.
Entscheidungsfindung durch KI-Agenten
KI-Agenten zeichnen sich durch einen hohen Grad an Eigenständigkeit sowie eine relativ autonome Entscheidungsfindung aus. Ihr Einsatzpotenzial liegt überall dort, wo Menschen von repetitiven, stupiden Tätigkeiten entlastet werden können – zum Beispiel wenn es darum geht, Kundenanfragen zu beantworten, Tickets im Service zu programmieren oder Bestellungen zu managen. Kontextwissen zu den Unternehmensabläufen, bereitgestellt durch Prozessintelligenz, befähigt KI-Agenten, solche Arbeitsschritte zu automatisieren.
In der Praxis kommen oft mehrere Agenten für einzelne Arbeitsschritte zum Einsatz, für die sie dann jeweils als Experten agieren. Im Zusammenspiel erledigen sie dann Aufgaben möglichst eigenständig. Ein Beispiel: Gehen die Lagerbestände eines Unternehmens zur Neige, setzt ein KI-Agent einen Alarm ab, der den Einkaufsprozess in Gang setzt. Daraufhin sucht ein zweiter nach möglichen Lieferanten und holt Angebote ein, die wiederum ein dritter Agent prüft und sie einem menschlichen Einkäufer vorlegt oder alternativ gleich selbst die Bestellung veranlasst. In der effizienten Orchestrierung liegt somit die größte Herausforderung beim Einsatz agentenbasierter KI. Bei der Implementierung und Entwicklung solcher Anwendungen sollten Unternehmen zunächst prüfen, wo die erwarteten Ergebnisse den größten Mehr- wert versprechen.
Darüber hinaus sollten sich Anwender während des gesamten Einsatzes eine gewisse Agilität bewahren, schließlich verändern sich die Anforderungen an jedes Unternehmen im Zeitverlauf und damit auch die betroffenen Prozesse. Um dauerhaft den größtmöglichen Nutzen zu erzielen, müssen IT-Verantwortliche auch die Agenten und ihre Orchestrierung immer wieder an neue Gegebenheiten und Umstände anpassen.
Neben dem Effizienzgewinn durch die Automatisierung repetitiver Tätigkeiten liegt ein entscheidender Vorteil von KI-Agenten darin, dass die Interaktion mittels Sprache mit ihnen deutlich leichter fällt als mit etablierten Anwendungen. Die Agenten können aufgrund ihrer Fähigkeiten in Bezug auf SQL und Skriptsprachen zudem mit bestehenden Systemen interagieren. Dies erleichtert die Programmierung, sodass auch Anwender ohne IT-Expertise diesen Arbeitsschritt übernehmen können. Auf diese Weise wird der KI-Einsatz durch KI-Agenten nicht nur einfacher, sondern auch schneller.
Auf Basis kontextualisierter Prozessdaten können Anwender KI-Assistenten für spezifische betriebliche Herausforderungen erstellen, etwa für die Beschaffungsoptimierung oder den Kundensupport. Dafür brauchen Unternehmen die zuvor beschriebene Prozessintelligenz. Zur Entwicklung bietet es sich an, generative KI-Funktionen zu nutzen, die in Prozessintelligenz-Plattformen integriert sind. Auch die Zusammenarbeit mit Partnern aus dem technologischen Ökosystem kann dabei helfen, domänenspezifische KI-Agenten zu entwickeln, die für das Unternehmen relevante Benchmarks und proprietäres Prozesswissen miteinbeziehen.
Prozesstransparenz über Unternehmensgrenzen hinweg
Der Netzwerkgedanke spielt auch bei der unternehmensübergreifenden Prozessoptimierung mithilfe von Prozessintelligenz eine Rolle. Schließlich reichen viele Prozesse über die Grenzen eines Unternehmens hinaus und involvieren verschiedene Akteure außerhalb der eigenen Organisation. Um auch diese Abläufe zu optimieren und Engpässe zu vermeiden oder zumindest rasch zu beheben, können Unternehmen Federated Process Mining einsetzen und Prozessnetzwerke aufbauen.
Denn herkömmliche Methoden für den Austausch und die Verwaltung von Daten über Unternehmensgrenzen hinweg sind oft langsam und fehleranfällig. Kollaborative Netzwerke wie Celonis Networks bieten dagegen eine gemeinsame Plattform für Daten und Erkenntnisse, die auch ohne den Austausch sensibler Informationen schnellere und fundiertere Entscheidungen ermöglichen – etwa im Supply-Chain-Management.
Gerade im Hinblick auf eine durchgängige Optimierung der Supply Chain empfiehlt es sich häufig, auch Daten von Drittanbietern einzubinden. Neben Logistikdaten können dies beispielsweise auch Nachhaltigkeitsthemen und Umweltmetriken sein. Dies verbessert nicht nur die Entscheidungsfindung bezüglich organisationsübergreifender Prozesse, sondern unterstützt auch dabei, gesetzliche Berichter- stattungspflichten zu erfüllen (etwa mit Blick auf das EU-Lieferkettengesetz). Perspektivisch eröffnen solche Netzwerke bislang nicht realisierbare Möglichkeiten, um beispielsweise Bestell- und Lieferprozesse zwischen Produzenten, Zwischenhändlern und Abnehmern kontinuierlich und (teil-)automatisiert zu optimieren und resilienter zu gestalten.
Schulungen erforderlich
Um ihre Mitarbeiter bei der Implementierung mitzunehmen, sollten Unternehmen entsprechende Schulungen organisieren. Dies kann dabei helfen, Datenkompetenz aufzubauen und weiterzuentwickeln, um Prozessdaten besser interpretieren und KI-Tools effizienter nutzen zu können. Um eine ethisch korrekte Nutzung zu gewährleisten, sollten Unternehmen außerdem Governance-Frameworks aufsetzen, die den Umgang mit KI-Anwendungen und ihren Ergebnissen eindeutig regeln.
Der zunehmend autonome KI-Einsatz in Form agentischer KI macht solche Leitplanken notwendig. Es ist insbesondere Letztere, die Unternehmensabläufe perspektivisch grundlegend verändern wird. Wenn Unternehmen KI-Agenten durch die Integration mit Prozessintelligenz in die Lage versetzen, den geschäftlichen Kontext ganzheitlich zu verstehen, befähigen sie sie, echte Ergebnisse zu liefern – und unterstützen so eine automatisierte und damit effizientere Entscheidungsfindung.
Fazit
Der Schlüssel zu einer möglichst effektiven Nutzung von KI-Anwendungen liegt im Kontext. Diesen liefert Prozessintelligenz, weshalb es unerlässlich ist, in entsprechende Plattformen zu investieren. Anwender erhalten darüber eine einheitliche Sicht auf ihre Unternehmensprozesse. Dabei geht es nicht um grundlegende Business Analytics, sondern darum, Ende-zu-Ende-Transparenz zu erreichen und handlungsrelevante Erkenntnisse zu gewinnen. Um sich zukunftssicher aufzustellen, sollten Unternehmen außerdem darauf achten, dass ihre Ereignisdaten systemunabhängig, prozess- und plattformübergreifend organisiert sind. Zugleich lohnt es sich, in Funktionen zur Erstellung digitaler Zwillinge zu investieren, da dies Prozessoptimierung in Echtzeit ermöglicht.
Zentral für den Erfolg solcher Projekte sind zudem Mitarbeitertrainings. Die so vermittelten, neuen Kompetenzen rücken die Daten in den Fokus. Auch stellen Schulungen die ethische Nutzung künstlicher Intelligenz sicher. Verbunden mit Governance-Frameworks sorgen Unternehmen für stabile Leitplanken beim Einsatz vin KI-Agenten.
(jp)
Wil van der Aalst ist Chief Scientist bei Celonis und Professor des Lehrstuhls für Process and Data Science an der RWTH Aachen.